Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Dettingen unter Teck

Die ersten urkundlichen Nachweise einer Kirche in Dettingen kommen aus dem Jahr 1269. Es ist aber zu vermuten, dass das alemannische Urdorf schon im 9. und 10. Jahrhundert eine eigene Kirche besaß. Die Kirche stand damals schon neben dem Herrenhof, dem Schlößle (heutige Schlößleschule). Seit dem Jahre 1303 ist der Name „St. Georgskirche“ verbürgt. Im 15. Jahrhundert hatte sich in Württemberg Ordnung und Sicherheit durchgesetzt; Machtkämpfe zwischen dem Landesherrn, dem Adel und den Städten hatten an Schärfe verloren. Der Bauer konnte ungestört seiner Arbeit nachgehen, in den Dörfern war bescheidener Wohlstand eingekehrt. In dieser Zeit wurde in Dettingen das Rathaus gebaut und die Kirche erneuert. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts stürzte das Land unter Herzog Ulrich in eine tiefe Verschuldung. Bei den Bauern und Weingärtner regte sich Widerstand. Aus deren Reihen formierte sich eine Bewegung, die sich „Armer Konrad“ nannte. Auch etliche Dettinger schlossen sich ihr an, die Aufstände wurden jedoch niedergeschlagen und harte Strafen erteilt. Auch im Bauernkrieg 1525 waren die Dettinger aktiv mit dabei. In diese Zeit fiel auch die zunehmende Kritik an der herkömmlichen mittelalterlichen Kirche, Anlaß dazu gaben oft die Geistlichen selbst, die mit allerlei Mitteln versuchten ihre Einkünfte zu erhöhen. Die Dettinger hatten in der Zeit des „Armen Konrad“ gelernt, dass sie selbständig denken und handeln konnten. Das Wort von der Freiheit eines Christenmenschen fand in Dettingen einen vorbereiteten Boden. Dem Herrscherhaus und der Lehre Luthers gehörten die Sympathien im Ort. Inzwischen waren etliche Reichsstädte in Württemberg, darunter auch Esslingen, evangelisch geworden. In den Jahrhunderten, in denen der Staat die Religionszugehörigkeit seiner Untertanen bestimmte und die Kirche als Staatskirche im Dienst der Obrigkeit stand, war in dem 1534 protestantisch gewordenen Württemberg kein Raum mehr für Katholiken. Ab ca. 1540 wird von ersten evangelischen Geistlichen im Ort berichtet. Neben der Besoldung für die Geistlichen gehörten auch Stiftungen zum örtlichen Kirchenvermögen, zu erwähnen ist hier der sogenannte „Armenkasten“, aus dem Unterstützungen an Arme und Kranke flossen. Um 1680 wurde das Pfarrhaus gebaut, davor befand sich das Pfarrhaus in der Hinteren Straße, wurde aber im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Auch die aufgekommene wiedertäuferische Bewegung, in deren Folge etliche Bürger aus Dettingen um ihres Glaubens willen zu den böhmischen Brüdern nach Mähren auswanderten, ist zu erwähnen.  

Zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert waren schlimme Pestjahre. Nichts haben die Menschen damals so gefürchtet wie die Pest, die als Gottesgeißel bezeichnet worden ist. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen hat der Schwarze Tod das Land heimgesucht. Allein in der Zeit zwischen 1565 und 1630 sind über 1000 Bewohner des Ortes der Seuche zum Opfer gefallen. Es gab Wochen, in denen der Pfarrer täglich mehrere Beerdigungen abhalten musste. Bei Kanalisierungsarbeiten in der Schulstrasse neben der Kirche wurden Anfang der 60er-Jahre mehrere Massengräber aus der Pestzeit gefunden.  

Auslöser des Dreißigjährigen Krieges 1618-1648 war – wie so oft – ein Streit der Fürsten und der Mächtigen. Unsägliches Leid und Entbehrung prägte über Jahrzehnte auch den Ort. Nach dem Krieg waren die Häuser heruntergekommen, die Ställe standen leer, die Felder und Weinberge lagen brach. Es herrschte große Armut und die Bettelei war eine Begleiterscheinung dieser Zeit, von der sich der Ort jahrzehntelang nur langsam erholte. Die Pfarrer dieser Zeit hatten also mit Armut, Verzweiflung, Pest zu kämpfen. In diesen Jahren der Entbehrung und Unterdrückung und den harten Lebensbedingungen regte sich das Bedürfnis den letzten Dingen des Lebens in eigener Weise zu begegnen. Über die Anfänge der durch den Pietismus aufgekommenen Privatversammlungen, der „Stunde“, gibt es keine Nachweise. Die meisten Pfarrer standen der Bewegung anfangs auch misstrauisch gegenüber. Auch in Dettingen gab es im 19. Jahrhundert eine Welle der religiösen Schwärmerei.

Die Pfarrer der letzten 100 Jahre hatten auch auf die wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung im Land zu reagieren. So nahm Pfarrer Dierlamm (1895-1904) die Jugendarbeit auf und gründete den Jünglings- und Jungfrauenverein und richtete eine Krankenpflegestation ein. Außerdem weitete er den Blick für die in der Mission sichtbare weltweite Dimension des Christentums. Pfarrer Pfähler (1905-1916) wurde die Belastung durch die sich aus den Nöten des ersten Weltkrieges ergebenden besonderen Aufgaben zu groß und er ließ sich versetzen. Pfarrer Stotz (1916-1926) hatte dem Ende es 1. Weltkriegs 1918 den geforderten Schritt von der Staatskirche zur Volkskirche zu vollziehen. Auch in Dettingen stand die Kirche nicht mehr unangefochten da. Pfarrer Hermann Elwert (1926-1938) hatte mit der großen Arbeitslosigkeit und den Herausforderungen und dem Druck des Nationalsozialismus fertig zu werden. Pfarrer Eugen Marstaller (1938-1950) tat seine Arbeit in der Stille, im 2. Weltkrieg, in der Katastrophe, welche am Kriegsende über Dettingen hereinbrach, hat er sich als treuer Hirte erwiesen. Sein Gedenkbüchlein „Unser Dettingen am 20. April 1945“ bleibt unvergessen. An diesem Unglückstag für das ganze Dorf fielen bei einem Bombenangriff 69 Wohngebäude, ca. 40 Scheunen und Stallungen, die Kirche, das Rathaus, Schulgebäude, Kindergarten und Spritzenhaus zum Opfer und 23 Menschen starben.

Der Kern des Dorfes lag in Schutt und Asche, Hunderte waren obdachlos. Noch war kein Friede und die Amerikaner bestimmten, was zu geschehen hatte. Der lähmende Schock des Geschehenen löste sich und mit Beginn der Aufräumungsarbeiten war neue Aktivität erwacht. Man wartete nicht auf Hilfe von außen, man griff selbst zu Hacke und Schaufel, alle standen zusammen, die Mithilfe war zur Selbstverständlichkeit geworden.

Der Wiederaufbau der landwirtschaftlichen Anwesen war am dringendsten, nach und nach kamen auch die anderen Gebäude an die Reihe ebenso Rathaus, Schule und Kirche. Mit der Wiederherstellung des alten Dorfbildes war nur ein Teil der Aufgaben erfüllt.

In das Wirken von Pfarrer Fritz Müller (1949-1955) fiel die Fortführung des Kirchbaus. Bei einem Dankgottesdienst im November 1954 konnte die Vollendung des Gotteshauses, unter Teilnahme von Landesbischof Haug, gefeiert werden. Pfarrer Müller erweiterte auch die kirchlichen Kreise und Gemeinschaften, so wurde 1951 auch eine christliche Pfadfindergruppe in Dettingen gegründet. In die Zeit von Pfarrer Erwin Grötzinger (1956-1966) fällt der Kindergartenbau in der Hinteren Straße und der Kauf des alten Rathauses (heute Altes Gemeindehaus) von der bürgerlichen Gemeinde sowie die Anlage eines Ehrenmals für die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege. Auch der neue Friedhof im Stockach wurde in diesen Jahren eingerichtet. Pfarrer Hermann Greiner kam 1969 von Hülben nach Dettingen und war bis in die 80er-Jahre hinein tätig. Pfarrer Grimm und Pfarrer Hahn hatten nur eine kurze Dienstzeit. 1987 kam Dr. Heiko Krimmer als Pfarrer nach Dettingen und war bis zu seinem Ruhestand im Jahre 2008 tätig. Er verstand es sowohl die bestehenden Gruppen weiterzuführen als auch – vor allem in der Jugendarbeit – neue Wege zu gehen und wichtige Impulse zu geben. Heiko Krimmer war weit über Dettingen hinaus als Gastredner und Buchautor bekannt und hat sich mit seinem Engagement für Kinderheime und Witwen in Indien verdient gemacht. Seit 2009 ist Daniel Trostel Pfarrer der Teckgemeinde und wird von Pfarrer Wilfried Veeser in seinen Aufgaben unterstützt.

Mit dem Wachstum des Dorfes sind auch die Aufgaben des Pfarramts gewachsen. Diakone unterstützten seit 1968 die Arbeit des Pfarrers. Seit 2002 gibt es zudem einen Hauptamtlichen für die Jugendarbeit, dies war bis 2014 Markus Eichler und momentan ist es Dän Klein. 1974 wurde auf der Siedlung Guckenrain neben der katholischen Kirche St. Nikolaus ein weiteres evangelisches Gemeindehaus errichtet und 1999 entstand ein modernes Gemeindehaus im Pfarrgarten. Die zunehmende Einbeziehung des Dorfes in den Industrieraum des mittleren Neckars und die dadurch verursachte Ansiedlung neuer gewerblicher Unternehmen auf der Markung brachte einen Zuzug vieler Menschen aus ganz anderen Lebensräumen in das einst von der bäuerlichen Bevölkerung geprägte Dorf. Der Ort ist zu einem Feld geistiger Vielfalt geworden. Zu den Fragen von Welt und Leben, zur Politik, zur Wirtschaft, zur Gesellschaft und vor allem auch zur Religion nehmen die verschiedenen Menschen ganz verschieden und oft gegensätzlich Stellung. Die evangelische Kirchengemeinde Dettingen ist in allem gesellschaftlichen Wandel herausgefordert auch zukünftig hier mit all ihren Gruppen und Kreisen, den Gottesdiensten und sonstigen Veranstaltungen als lebendige Gemeinschaft, mit Wort und Tat den Mitmenschen in all ihren Nöten und Schwierigkeiten Zuspruch und Hilfe zu geben.     

 

Quellen: Heimatbuch der Gemeinde Dettingen/Teck (Albert Schüle), Unser Dettingen am 20. April 1945 (Eugen Marstaller) u.a.     Autor: Walter Wanner